Das Whitbread Race – Teil I

Das Top-Ereignis der Segler-Welt 1973-1974 war die erste Whitbread-Regatta rund um die Welt. Der Peter von Danzig war nicht nur die einzige deutsche Yacht, die an dieser Regatta teilnahm, er war auch damals schon das älteste Boot am Start.
Ursprünglich hatte die englische Zeitschrift „Yachting and Boating Weekly “ das Rennen als „Clipper Race “ ausgeschrieben. Mangels eigener Sponsoren überließ die Zeitschrift die Ausrichtung des Rennens der Naval Sailing Association, die von der Whitbread Brewery gesponsert wurde. So kam das Kind zu seinem Namen.
Dennoch: Whitbread – das ist längst mehr als der Name einer Brauerei. Das ist Legende.
Damals, Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, war schon die Idee zu so einem Rennen etwas Verrücktes. Ein Rennen für Segelyachten, rund um die Welt, in nur vier Etappen! Doch wenige Jahre zuvor hatte es ein Rennen gegeben, das noch verrückter war: Einhand und Non-Stop rund um die Welt. Acht hatten die Teilnahme gewagt. Nur drei waren mit ihren Booten angekommen. Einer der Teilnehmer nahm sich im Verlauf das Leben. Das war zuviel!
Also, wenn das denn zu schwierig war, dann sollte man es doch mit größerer Besatzung und in Etappen angehen. Das versprach auch mehr Publikumsinteresse und ein größeres Teilnehmerfeld. Zumindest in den damals führenden Seglernationen fanden sich auch genügend Interessenten. So waren fünf britische und sechs französische Schiffe am Start. Dazu drei Italiener, aber aus der Seglernation Schweden nur eines. Das Feld wurde durch einige Exoten aufgefüllt. Ein Südafrikaner, ein Mexikaner, zwei Polen und aus Deutschland der Peter von Danzig vom Akademischen Seglerverein in Kiel. Es entsprach durchaus der Kuriosität des Rennens, daß schließlich einer dieser „Exoten“ den Gesamtsieg davontragen sollte.
Die Vorgeschichte seiner Teilnahme am Whitbread-Rennen hat einiges gemeinsam mit der Entstehungsgeschichte des Peter von Danzig. Zum einen fehlte es beide Male an Geld und anderen Ressourcen. Alles, was nicht vorhanden war, mußte durch den Einsatz der Beteiligten wettgemacht werden. Und es war der unermüdliche Einsatz von segelbegeisterten jungen Menschen, der einst den Bau und später die Teilnahme am Rennen möglich machte. Zum Zweiten gab es jeweils zu Beginn der Unternehmung Skeptiker, die das ganze Projekt als „undurchführbar“, „Wunschdenken“, als „Verrücktheit“ abstempelte. Beide Male wurden sie widerlegt. Zum Dritten ging es um ein Rennen. Ein Rennen ist immer etwas Besonderes. Es geht darum das eigene Können, das eigene Equipment und den eigenen Einsatz mit dem der Mitstreiter zu vergleichen. Und am Ende zählt dann doch nicht ein wie auch immer geartetes Ergebnis, sondern die Tatsache, dabei gewesen zu sein, mitgemacht zu haben bei etwas, was später von anderen als historisch angesehen werden wird. Dabei war doch alles so einfach.
Die Ausschreibung des Rennens zum Beispiel:
Die Segelanweisungen waren denkbar einfach: man sollte eine bestimmte Tonne östlich der Insel Wight an Steuerbord, das Kap der guten Hoffnung und Kap Hoorn an Backbord lassen. Start und Ziel war der englische Marinehafen Portsmouth.
Der Etat zum Beispiel:
Nach allfälligen Streichungen blieb ein Finanzbedarf von DM 50.000, der durch Spenden gedeckt werden mußte. Zum Vergleich, dreißig Jahre Später betrug der Etat der „illbruck“ für das, wie es nun hieß „Volvo Ocean Race „, geschätzt 40 Millionen DM.
Das Schiff zum Beispiel:
Kein teurer Neubau, denn es war ja schon da! Und gerade mal erst dreieinhalb Jahrzehnte alt. Kein auf extreme Geschwindigkeit getrimmter High-Tech Neubau, sondern ein der Seetüchtigkeit verpflichteter Stahlrumpf, der seine Tauglichkeit nicht erst beim Rennen beweisen mußte. 3000 Stunden Rost klopfen, Farbe klecksen und andere Renovierungsarbeiten und das Schiff war einsatzbereit? Nun ganz so einfach war es nicht gewesen.
Die Verpflegung zum Beispiel:
Keine dehydrierte Astronautennahrung wie am Anfang des 21. Jahrhunderts, sondern die Zutaten zu einer auch für normale Menschen verwertbaren Ernährung.
„Wir beluden den Peter unter anderem mit 200 kg eingemachten Kartoffeln, 350 kg Haferflocken (ca. 2 qm), 75 kg Zucker, 300 kg Brot in Dosen, 300 kg Milch, 200 kg Fleisch und Wurst, 90 kg trockenen Grundnahrungsmitteln und 160 l Benzin und Petroleum. In England bunkerten wir noch 1,6 t Trinkwasser. Die besonders guten Fleisch- und Brotkonserven hielten sich über die ganze Reise.“
Teilnehmer
Wer also fuhr alles mit?
In England mußte natürlich die Royal Navy dabei sein. Sie schickte die „Adventure“, eine Nicholson 55 ins Rennen. Die Crew wurde speziell ausgewählt und geschult, und die Erwartungen in dieses Schiff waren entsprechend. Nun durfte natürlich die Army der Navy nicht nachstehen und schickte ihrerseits die „British Soldier“. Ein drittes Schiff aus den Reihen der Militärs, die „Great Britain II“, war nur mit Fallschirmspringern bemannt. Alle diese Schiffe hatten den Vorteil, daß der Sold der Crew weiterlief. Das entlastete die knappen Budgets. Als rein ziviles Schiff hatte es da die „Second Life“ schon wesentlich schwerer. Hier mußte die Crew noch selbst Geld mitbringen, um überhaupt teilnehmen zu können. Das andere zivile Schiff, die „Burton Cutter“ war ein Neubau aus Aluminium. Hier war die ungeheure Belastung des Materials weit unterschätzt worden. Kurz nach Beginn der zweiten Etappe gab die Crew auf, reparierte das Schiff und war dann erst wieder auf der letzten Etappe dabei.
Die Franzosen schickten ihre Seglerlegende Eric Tabarly ins Rennen. Seine „Pen Duick VI“ wurde eigens für das Rennen konstruiert und nur mit bestem Material ausgestattet. So bestand der Kiel nicht aus Blei, sondern aus Uran, um das aufrichtende Moment zu optimieren. Jedoch brachten zwei Mastbrüche auf der ersten und dritten Etappe den Liebling der Franzosen um jede Siegchance, der dann auch enttäuscht und wahrlich nicht im Stil eines guten Verlierers den Zielhafen Portsmouth nicht mehr anlief. Die „Grand Louis“ des Eigners Andre Viant war eines der wenigen Schiffe, bei denen der Eigner alle Kosten selber trug. So waren dann auch viele Crewmitglieder Verwandte des Eigners. Auch die „Kriter“ wurde von einem Pariser Geschäftsmann eigens für das Rennen gebaut, der die fianziellen Belastungen allerdings nicht vollständig selbst stemmen konnte. Von den anderen französischen Yachten sei noch die „33Export“ genannt. Dominigue Guillet gehörte zur Crew der 12m-Yacht des Baron Bich. In einem Sturm im südlichen Indischen Ozean wurde er über Bord gespült und nicht wieder aufgefunden.
Die Italiener traten mit drei Booten an. Die „Guia“ war ein Boot, das sich schon vor dem Whitbread Rennen einige Sporen verdient hatte. So etwa zwei Jahre vorher die italienische Hochseemeisterschaft. Die „Tauranga“ war eine yawl-getakelte Swan 55. In Kapstadt wechselte ein Crewmitglied der „British Soldier“ auf dieses Boot. Bei einem Sturm im Indischen Ozean wurde er vom Großbaum am Kopf getroffen, über Bord geschleudert und konnte nicht mehr geborgen werden. Das dritte Boot, die ketschgetakelte „CSe RB“ ist erwähnenswert, weil sie einen Steuerstand unter einer Plexiglaskuppel hatte.
Die polnischen Boote waren die „Otago“ eines Danziger Yachtclubs, sowie die „Copernicus“ eines Gdingener Yachtklubs, die mit 45 Fuß Länge das kleinste teilnehmende Schiff war.
Die mexikanische „Sayula II“ des Waschmaschinenherstellers Ramon Carlin war das einzige Schiff vom amerikanischen Kontinent. Die Swan 65 wurde mit einer internationalen Crew gesegelt, der es dem Vernehmen nach auf den Etappen an nichts mangelte. Der Eigner hatte einen mexikanischen Koch engagiert, der ein Meister seines Fachs gewesen sein soll. Wegen der exzentrischen Gebräuche an Bord wurde das Schiff lange nicht als Konkurrent ernst genommen.
Die „Jacaranda“ aus Südafrika segelte nach der ersten Etappe nicht mehr mit und der schwedische Teilnehmer, ein Oldtimer gab schon während der ersten Etappe auf.
Das Whitbread Race – Teil II
Und dann war da noch ein deutsches Schiff, der Peter von Danzig des Akademischen Segler Vereins zu Kiel.
Dann beginnt das Rennen so, wie die Crew des Peter schon immer vermutet hatte. Ein Oldtimer kann mit den speziell für dieses Rennen entworfenen Schiffen nicht mithalten. Schon kurze Zeit nach dem Start verliert man sie aus den Augen und wird sie erst in Kapstadt wiedersehen. Die Winde auf der ersten Etappe sind insgesamt flauer als erwartet und vor der portugiesischen Küste steht nicht der erwartete „Norder“ sondern ein strammer Südost. Kap Finisterre, Madeira, Gran Canaria… – die Augenblicke mit Landsicht sind rar. Dann schlägt das Schicksal zu, innerhalb weniger Stunden zerfetzen zwei Spinnaker und einen Tag später ein dritter. Die teilweise zu alten Segel werden geflickt und fortan wie rohe Eier behandelt. Dann schleicht das Schiff tagelang durch die Mallungen bevor man schließlich in den Einfluß des Passat kommt. Ein neues Großsegel kann nur nach etlichen Basteleien gesetzt werden. Schließlich ist ein weiterer Wegepunkt erreicht: der Äquator wird überquert. Über Funkkontakte wird klar, wie weit man hinter der Flotte herfährt. Am 30. Oktober erreicht der Peter Kapstadt. Zehn Tage nach dem Sieger der Etappe „Burton Cutter “ und nur noch gefolgt von der „Pen Duick VI“, die sich allerdings in Rio de Janeiro einen neuen Mast abholen mußte.
Die Zeit in Kapstadt war knapp bemessen. Die notwendigen Reparaturen am Schiff sind in der kurzen Zeit bis zum Start der zweiten Etappe kaum zu bewältigen. Die Schäden am Rigg sind nicht unerheblich und der Rumpf braucht einen neuen Anstrich. Dazu müssen die Vorräte ergänzt werden. Erholung findet eigentlich nicht statt. Trotzdem: Verglichen mit dem Volvo Ocean Race 2001-2002 liest sich der Törnbericht der Crew wie ein historischer Abenteuerroman, wie ein Reisebericht aus romantischer Zeit.
Die zweite Etappe von Kapstadt nach Sidney begann zunächst völlig untypisch mit Flaute bis bestenfalls schwachem Wind. Doch schon am zweiten Tag gibt es Starkwind. Die Navigation war damals wesentlich schwieriger als heute, da man ja bei geschlossener Wolkendecke keine Möglichkeit der Astronavigation hat. So gerät der Peter in den Agulhas-Strom und bleibt weit hinter dem Feld der übrigen Teilnehmer zurück. Wieder hängt das Schiff in einer Schwachwindzone bis schließlich nach eineinhalb Wochen der erste Sturm der Roaring Forties den Vorgeschmack auf den weiteren Verlauf der Etappe bringt. Schon nach wenigen Tagen wird deutlich, daß die Bekleidung unter den extremen Bedingungen deutliche Mängel aufweist. Die Crew wird arg naß und leidet unter der Kälte. Das Schiff erweist sich als ausgesprochen seetauglich. An dem Tag, als man über Funk vom Tod eines Crewmitglieds der „Tauranga“ erfährt, schafft man ein Etmal von 218 Seemeilen. Über Funk hört man von Havarien anderer Schiffe und dann gerät der Peter in den schwersten Sturm dieser Weltumsegelung. Es bläst durchgängig mit 9 Beaufort und mehr, der Seegang übertrifft alles, was die Mitsegler je erlebt haben, es ist eisig kalt und die Crew leidet an Übermüdung. Die meisten haben sich wegen der ständigen Nässe und Kälte eine Blasenentzündung zugezogen. Über Funk hört man von einem weiteren Todesfall. Die eigenen Sicherheitsmaßnahmen werden verschärft. Durch den Seegang gerät immer wieder die Ordnung unter Deck aus den Fugen. Einmal legt der Peter soweit über, daß das Skylight im Salon vollständig unter Wasser ist. Nach einer kurzen Schönwetterperiode gibt es wieder Starkwind. Die Belastung für Schiff und Mannschaft ist ungeheuer. Von den anderen Schiffen treffen Havariemeldungen ein. Dann bessert sich das Wetter. Der letzte Teil der Etappe wird wesentlich einfacher. Als der Peter schließlich die Ziellinie quert, sind seit der Ankunft der ersten Boote schon elf Tage vergangen. Aber dieses Schiff hat die harten und schwierigen Bedingungen besser überstanden als manch anderes Schiff. Stolz kann die Crew dies im Törnbericht festhalten.
„Immer wieder wird nach Havarien am Schiff gefragt. Da wir nichts Bemerkenswertes zu nennen wissen, sind sie alle sehr erstaunt, fast ungläubig. Als die Reporter wissen wollen, wieso gerade ausgerechnet dieser Oldtimer keinen wesentlichen Schaden genommen hat, stellt H. M. Admiral Steiner fest: »They are sailors, no yachtsmen.« – Welch eine Auszeichnung für die Lords vom Peter. Anschließend Einladung zum Ankunftsessen im Yachtclub. „
Die dritte Etappe, die von Sydney nach Rio de Janeiro führt, wird genauso hart wie die gerade überstandene. An Bord des Peter bricht sich ein Crewmitglied den Fuß und wird in Neuseeland zur Behandlung an Land gesetzt. Der Sturm verlangt Schiff und Mannschaft das Äußerste ab. Ein Brecher läßt den Peter so weit überholen, daß das Deck senkrecht steht und der Masttop das Wasser berührt. Seeschlag drückt die Bordwand des an Deck festgelaschten Beibootes ein. Über Funk erfährt man, daß ein weiterer Mann sein Leben im Südatlantik lassen mußte. Es wird noch kälter und noch nasser, weil zeitweise das Salonluk undicht ist. Über Funk melden andere Boote die Sichtung von Eisbergen. Erhöhte Wachsamkeit ist die Folge. Langsam kämpft man sich dem entgegen, was von vielen als Höhepunkt der Reise empfunden wird: Kap Hoorn. Am Abend des 1. Februar ist es dann soweit. HMS „Endurance“, die den Durchgang der Rennteilnehmer beobachtet begrüßt den Peter an der Südspitze Amerikas. In der folgenden Nacht passiert es. Ein Mann geht beim Pinkeln über Bord. Die Crew reagiert schnell und hat das notwendige Glück. Nach kurzer Zeit kann er wieder an Bord geholt werden. Unter Verzicht auf einen Kneipenbesuch geht es an den Falklands vorbei Richtung Rio. Doch kurz vor der Ziellinie stopp noch einmal eine hartnäckige Flaute das einlaufende Boot. Dreißig Jahre später erleiden die führenden Boote des Volvo Ocean Race an selbiger Stelle das ähnliche Schicksal. Gegen Flaute hilft einem Segelschiff auch die ausgefeilteste Technik nicht.
Die vierte Etappe wurde selbstverständlich erst gestartet, nachdem sich die Crews beim und vom Carneval in Rio erholt hatten. Zwei verschiedene Varianten sind von Rio de Janeiro nach Europa generell möglich: Die kürzere entlang der südamerikanischen Küste und dann geradewegs nach Norden auf die Azoren zu. Die andere holt in einem weiten Bogen ostwärts auf den Südatlantik aus und trifft erst wieder bei den Kapverden auf den Kurs der ersten Variante. Dieser Kurs ist zwar länger, verspricht aber mehr Wind. Der Peter fuhr auf ersterem Kurs und hatte prompt auch wenig Wind und entsprechend kleinere Etmale. Als das Trinkwasser knapp wurde half man sich, indem man bei einem Schauer die Tanks mit dem Regenwasser wieder auffüllte. Der Peter ist noch südlich der Azoren, als über Radio die Meldung aufgefangen wird, daß das erste Schiff bereits in Portsmouth angekommen sei. Schließlich werden Wasser und Lebensmittel doch zu knapp und man läuft die Azoren an, um die Vorräte zu ergänzen. Damals war das Round-the-World Race noch mehr vom Geist des Mitmachens und Ankommens geprägt. Man stelle sich einmal vor, daß beim Volvo-Ocean-Race 2002 etwa ein Schiff wie die SEB schnell mal bei den Azoren einen Zwischenstop eingelegt hätte! Irgendwie scheint sich alles auf dieser Etappe dem Peter in den Weg stellen zu wollen. Als man schließlich nur noch den Englischen Kanal vor sich hat, zwingt ein kräftiger Nordost auch noch zum mühsamen Aufkreuzen. Am morgen des 30. April ist es dann aber so weit: Der Peter von Danzig überquert die Ziellinie.
Gewonnen hat dieses Rennen nicht etwa eines der Schiffe, die beim Start unter die Favoriten gezählt wurden, sondern die „Sayula II“, eine Swan 65 eines mexikanischen Millionärs und Gentleman-Skippers. Aber auch der Peter fuhr nicht ohne Preis nach Hause. Die Teilnehmer verliehen dem deutschen Schiff, das schon damals zu den Oldtimern gehörte den Preis „Best performance of a loosing yacht“, was keinesfalls ironisch oder abschätzig gemeint war, sondern als Respekt vor der seemännischen Leistung. So hatte es H.M. Admiral Steiner gemeint, als er sagte: They are sailors, no yachtsmen.